Entlang der Route 66
Hinter uns ist Festbeleuchtung und Mathias wird gezwungen zu halten. «Police. Drivers license and car documents», verlangt der grossgewachsene strenge Officer mit erhobener Stimme, der plötzlich neben unserem Fenster auftaucht. Wir wissen gar nicht so genau, was wir falsch gemacht haben, werden aber umgehend aufgeklärt. «Didn’t you see the 30 miles sign?» - Äh nein – «There’s a race going on and people get killed, if you speed like that». Wir sind 40 gefahren, wie auf der letzten Tafel, die wir gesehen haben, erlaubt wurde. Uns sind aber schon viele Radfahrer aufgefallen. Na gut, vielleicht haben wir wirklich eine provisorische 30er-Tafel übersehen. Mathias entschuldigt sich in aller Form. «You are not from here, so you don’t know the area», kommt es weiter vom Sheriff während er unsere Papiere begutachtet. Seine Gesichtszüge entspannen sich langsam und er lässt uns schliesslich mit einem Lächeln im Gesicht weiterfahren, als Mathias hoch und heilig verspricht, von nun an besser aufzupassen.
Wenig später kommen wir bei den Puye Cliff Dwellings an. Hier finden wir die Ruinen eines Dorfs vor, das zwischen 900 und 1600 n.Chr. von ca. 1500 Pueblo Indianern besiedelt wurde. Angeblich soll es das besterhaltene Pueblo nach Mesa Verde sein. Die Nachfahren der einstigen Indianer, Angehörige des heutigen Santa Clara-Stamms bieten Führungen durch die archäologische Stätte an. Wir nehmen an einer solchen teil und lernen viel über das einstige Leben hier.
Das Spezielle an diesen ehemaligen Behausungen ist, dass sie sozusagen auf zwei Stockwerken gebaut wurden. Oben auf dem Tafelberg befanden sich die Sommerhäuser und ein paar Meter tiefer entlang der Klippe des Bergs wurden die Winterresidenzen in den Stein gehauen. Auf diese Weise konnte man sich besser von der Kälte schützen und sich an der wärmenden Sonne, die an die Klippen schien, aufwärmen. Heute sind nur noch die Mauern der früheren Unterkünfte zu erkennen. Die Räume wurden sehr niedrig gebaut, so dass man sich heute nur kriechend fortbewegen könnte. Vor 1500 Jahren waren die Menschen allerdings noch um einiges kleiner, aber auch bereits zu dieser Zeit wurden die Zimmer nur zum Schlafen gebraucht. Das Leben spielte sich vorwiegend draussen ab. Zudem stieg man über ein kleines Loch in der Decke in die Räume ein. Dies war eine Form der Abwehrtaktik gegen potenzielle Feinde.
Als Highlight der Tour durften wir zum Schluss in eine sogenannte «Kiva» absteigen. Dies sind kreisrunde unterirdisch gebaute Versammlungs- und Zeremonienräume der Pueblo-Kulturen. Überall, wo man auf dem Gelände hintritt, findet man Bruchstücke von Töpfen und Schalen in den verschiedensten Farben. Als das eigentlich sesshafte naturverbundene Volk aufgrund einer Dürre weiterziehen mussten, liessen sie alle Töpfe zurück aus Respekt vor der Mutter Natur und gaben ihr auf diese Weise wieder zurück, was sie genommen hatten. Die unterschiedlichen Farben der Töpfe hatten verschiedene Bedeutungen. Rotes Geschirr war für den Alltagsgebrauch bestimmt, während schwarze Töpfe nur zum Kochen verwendet wurden und die Farbe grau für Festlichkeiten eingesetzt wurde.
Nach der sehr interessanten Führung fahren wir weiter in Richtung Albuquerque. In Los Alamos sind wir etwas irritiert, als wir auf einmal an eine Schranke fahren und unsere Reisepässe zeigen müssen. Wir werden darüber aufgeklärt, dass wir nun durch eine militärische Sperrzone fahren werden und gleichzeitig mit Nachdruck aufgefordert in einem Stück durchzufahren. Zudem sei es strengstens verboten Fotos zu machen. Erst später erfahren wir, dass sich hier das National Laboratory befindet, das Forschungszentrum für Kernenergie. An diesem Ort wurde ab 1942 das Manhattan Projekt durchgeführt. Mit anderen Worten, die Atombombe wurde hier unter strengster Geheimhaltung entwickelt und gebaut. Was heutzutage hinter den Betonmauern passiert, die wir durch den Hochsicherheitszaun erkennen können, an dem wir entlangfahren, wollen wir lieber gar nicht wissen.
Eine Dusche ist wieder einmal dringend nötig und auch Wäsche waschen wäre nicht schlecht. Wir quartieren uns auf dem KOA Campground in Albuquerque ein. KOA ist eine Campground-Kette, die in den meisten grösseren Orten und in der Nähe von Sehenswürdigkeiten mit einem Platz vertreten ist. Zwar sind diese Campingplätze nicht ganz billig, dafür immer sehr schön gestaltet, sauber und verfügen über jegliche Infrastruktur, die man so von Zeit zu Zeit als Nomaden braucht. Zu unserer Freude verfügt der Platz in Albuquerque sogar über einen Jacuzzi, den wir natürlich rege nutzen. Da wir noch so viele Plätze besuchen wollen, bevor wir anfangs Dezember Besuch aus der Schweiz erhalten werden, bleiben wir nur einen Tag in der Stadt. Wir verlassen diese aber nicht, ohne dem «Twisters» einen Besuch abzustatten, dem Restaurant, das der Serie Breaking Bad als Drehort für die Szenen im Pollos Hermanos diente.
Auf der I-40 fahren wir wieder Richtung Westen. Dieser Highway diente als Ersatz zur einstigen Route 66, verläuft aber parallel und nur wenige Meter entfernt vom Original. Die legendäre Fernstrasse, die als eine der Ersten den Westen des Landes erschloss und von Chicago nach Los Angeles führte, verlief auch durch einen Nationalpark, nämlich durch den Petrified Forest Nationalpark. Heute zeugen allerdings nur noch alte Telefonmasten davon, die damals entlang der Route 66 in der Gegend standen.
Der Petrified Forest ist aber aus einem anderen Grund zum Nationalpark erklärt worden. Wie der Name schon erahnen lässt, beherbergt der Park versteinertes Holz. Hier findet man die grösste Ansammlung an versteinerten Baumstämmen weltweit. Vor ca. 200 Millionen Jahren (Trias) lebten im Gebiet des heutigen Nationalparks dinosaurierähnliche Reptilien und es gab riesige Wälder. Umgestürzte Bäume wurden von Schlamm und Schlick begraben, wodurch der natürliche Zerfall des Holzes aufgrund von fehlendem Sauerstoff verlangsamt wurde. Kieselsäurehaltiges Grundwasser sickerte dann in die Baumstämme hinein. Quarz lagerte sich in die Hohlräume der Stämme ein und ersetzte nach und nach das Zellgewebe, so dass die Struktur des Holzes im Stein erkennbar blieb. Später hoben tektonische Bewegungen die Landmassen, in denen die versteinerten Bäume vergraben waren, an und es entstand die Landschaft, wie wir sie heute bewundern können. Die meisten Baumstämme zerbrachen allerdings durch Spannungen, die aufgrund der Tektonik auftraten.