Wir bekommen Besuch
Freudiges Wiedersehen
Heute ist der 2. Dezember. Ein Tag, auf den wir uns schon lange gefreut haben. Mathias’ Eltern kommen nämlich heute in L.A. an und wir werden die nächsten 10 Tage zu viert unterwegs sein. Pünktlich um 16.30 Uhr sind wir am LAX und warten geduldig auf ihre Ankunft. Als wir die ersten schweizerdeutschen Worte von Reisenden wahrnehmen, die in die Ankunftshalle strömen und mehrere komplett identische schwarze Ellehammer-Rollkoffer sehen, die Coop vor ein paar Jahren mit einer Trophy-Aktion vertickt hat und nun gefühlt 80% aller Schweizer zu ihrem Inventar zählen, wissen wir: Das muss der Flug aus Zürich sein. Und tatsächlich, nur wenig später erkennen wir Susanne und Hansruedi. Die Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Auch wir freuen uns riesig in den nächsten Tagen traute Begleitung zu haben und begrüssen die beiden herzlich. Mit einem Uber geht’s zurück zum Hotel, wir stossen mit … na was wohl?! … Guinness auf den Start unseres gemeinsamen Trips an und besprechen in welche Richtung es morgen losgehen soll.
Heimatgefühle
Nachdem unsere Gäste bereits am ersten Morgen beim Frühstücksbuffet des Hotels mit amerikanischen Gepflogenheiten bekannt gemacht wurden (man speist aus Einweggeschirr!), kann unser Roadtrip zu viert beginnen. Die Camper Übernahme bei El Monte ging schnell über die Bühne und somit sind wir nun mit zwei Fahrzeugen unterwegs. Die Fahrt aus L.A. heraus braucht zwar Nerven (einen so schlimmen Verkehr haben wir in der USA bisher noch nicht gesehen!), aber wir kommen heil bei unserem ersten Camping, dem KOA in Palm Springs an. Hansruedi wird heute noch von Jetlag geplagt und geht früh zu Bett. Wir nutzen die Gelegenheit und probieren die Hot Tubs des Campings aus, die von natürlichen Hotsprings gespeist werden. Wir sprudeln gefühlt die halbe Nacht in den „heissen Quellen“, bevor auch wir völlig aufgeweicht schlafen gehen.
Am nächsten Morgen fahren wir direkt zur Palm Springs Aerial Tramway, der grössten von drei rotierenden Seilbahnen weltweit (Platz 2: Kapstadt, Platz 3: Titlis). Der Hersteller ist natürlich niemand anderes als eine Schweizer Firma. Innert 10 Minuten werden wir mit der Gondel vom Coachella Valley zum San Jacinto Peak durch fünf “life zones” befördert und fühlen uns für kurze Zeit ein wenig wie zu Hause in den Bergen. Einziger Unterschied ist, dass die Schweizer bei einer Gondelfahrt für gewöhnlich nicht in lautes Gekreische verfallen oder gar ohnmächtig werden. Angefangen bei der Wüste bis hin zum Gipfel, wo alpiner Wald die Vegetation bestimmt, werden wir Meter für Meter nach oben gefahren. Dort angekommen fallen uns aber nicht unbedingt die vielen Bäume auf, sondern die dicke Schneeschicht, die sich hier bereits über das Land gelegt hat. Na gut, so aussergewöhnlich ist das nicht. Wir befinden uns schliesslich auf 2600 M.ü.M und es ist Dezember. Der Schnee hält uns nicht davon ab eine kurze Wanderung zu unternehmen, auch wenn diese Einiges an koordinativem Geschick erfordert und nasse Füsse zur Folge hat. Am Ende werden wir aber mit einer wahnsinnigen Aussicht auf das Tal belohnt und wärmen uns bei einem Chili con carne im Bergrestaurant danach wieder auf.
Eine haarige Angelegenheit
Wir befinden uns im Joshua Tree Nationalpark und sind kurz davor den “Cholla Cactus Garden” zu erkunden. Am Trailhead fällt uns eine AMMO Box auf, die mit einem roten Kreuz auf weissem Hintergrund bemalt ist. Der Inhalt entspricht den Erwartungen. In der Box befindet sich eine beachtliche Menge an Pflastern, eine Schere und ein paar Pinzetten. Wir müssen lachen. Offensichtlich liegt die Box für Touristen hier, die vom Kaktus gestochen wurden. Und offenbar sind das nicht Wenige.
Aber wie schafft man denn sowas? Wenn man auf dem Weg bleibt (den man ohnehin nicht verlassen darf) hat man mehr als genug Sicherheitsabstand.
Nur wenige Minuten später wissen wir es...
Da stellt man sich für ein Foto nur ein kleines bisschen zu nahe an einen “Cholla” und schon beisst er zu … oder besser gesagt sticht zu. 50% von unserer Reisegruppe mussten dies auf schmerzliche Weise feststellen. Die Kakteen lassen nämlich einen Teil ihres Arms fallen, wenn er sich irgendwo verheddert. Und ganz gemein ist, dass die Stacheln kleine Widerhacken haben, die man fast nicht mehr aus der Haut kriegt sobald sie einmal eingedrungen sind.
Lasst mich eins sagen. Das Lachen ist uns vergangen und wir waren am Ende heilfroh über die kleine Apotheke am Trailhead.
Ein guter Deal
Wir sind auf dem KOA Camping in Needles. Das Gute daran, wenn man mit zwei Fahrzeugen unterwegs ist, man kann sich jeweils einen Platz auf dem Camping teilen und spart eine Menge Kosten. Also genau genommen sind Stuckis mit ihrem RV jeweils die Hauptmieter und wir sind das Begleitfahrzeug. Wir beteuern beim Einchecken jeweils stark, dass wir alle Vier im Wohnmobil übernachten und der Toyota nicht als Camper, sondern fürs Offroaden nebenbei gedacht ist … diese Story hinterfragt hier niemand und man lässt uns jeweils einen Platz teilen. So werden diese Tage auch „Luxus“-Campings, wie es die KOA’s sind (ca. 40 USD pro Nacht), für uns erschwinglich.
Wir geniessen momentan die Abende mit guter Gesellschaft, dem leckeren Essen von Susanne, trinken Wein und spielen uns die Finger wund. Quality time!! Als die letzte UNO-Karte an diesem Abend gelegt ist, hecken wir noch den nächsten genialen Budget-Sparplan aus. Wir befinden uns hier in Kalifornien, aber gleich auf der anderen Seite des Colorado Rivers befindet sich Arizona. Die Preisunterschiede in den beiden Staaten für Diesel und Benzin sind enorm. Mit der Gasbuddy-App suchen wir uns die günstigste Tankstelle nach der Grenze in Arizona heraus und tanken am nächsten Tag tatsächlich für unglaubliche 3,09USD / Gallone (=0,80CHF / Liter). Auf der kalifornischen Seite hätten wir locker 4,50 USD hinblättern müssen. Bei dieser Gelegenheit wird der Zusatztank auch gleich vollgemacht und wir schaffen es dann lockerflockig zum Hoover Dam.
Hier ist richtig was los! Um zu den Parkplätzen beim Damm zu kommen, muss erst jedes Fahrzeug eine Sicherheitskontrolle passieren. Bei so vielen Besuchern ist da Stau vorprogrammiert. Als wir an der Reihe sind, werden wir gebeten die Hintertüren zu öffnen. Nach einem müden Blick ins Innere von Baloo (wir müssen lediglich eine Klappe des Innenausbaus öffnen), gestattet uns der Police Officer mittels kosmopolitisch verständlicher Handbewegung weiterzufahren. Mathias will gerade den Motor starten, als er im Rückspiegel eine Polizeioffizierin auf uns zu rennen sieht, die uns mit wilden Gesten zu verstehen gibt, dass wir doch noch nicht weiterfahren dürfen. Mathias kurbelt die Scheibe nach unten und hört sich an, was die Frau zu sagen hat: „We also need to check to boxes on the roof“. Mathias Gesichtsfarbe verdunkelt sich auf einen Schlag und nimmt intensiv rote Töne an. – „Are you kidding me?!“ … Ui, jetzt ist nicht mehr gut Kirschen essen mit der! Es bleibt nichts anderes übrig als aufs Dach zu klettern, die Schlösser an den Pelican Boxen zu öffnen, die Stripes zu lösen und den Beamten unser Ersatzteillager zu offenbaren. Mit einem Spiegel schauen sie sich alles ganz genau an, bevor wir endgültig weiterfahren dürfen.
Valley of Fire State Park
Um den Valley of Fire State Park zu besuchen hatten ich und Mathias bislang noch keine Zeit, obwohl wir uns schon einmal ganz in der Nähe befunden haben. Die Dichte der Attraktionen in diesem Gebiet der USA ist einfach so hoch, dass es gar nicht möglich ist ALLES zu besuchen. Nun bietet sich aber die Gelegenheit mit unserem Besuch durch den Park zu fahren.
Als wir den kleinen aber feinen State Park erkunden, sind wir froh, dass dieser uns nicht vorenthalten blieb. Es gibt ein paar Perlen, wie beispielsweise die Fire Wave, zu besichtigen und überhaupt gefällt uns die Landschaft in den verschiedensten Rottönen einfach gut. Am Ende des Tages machen wir noch einen letzten Halt bei ein paar versteinerten Baumstämmen (petrified logs), als Mathias auf einmal dringend “muss”. Er sucht sich etwas abseits von uns einen Strauch aus und traut seinen Augen nicht als er genauer auf den Boden vor seinen Füssen schaut. Da liegen 21 Dollar! Mitten in der Wüste! Der ausgesuchte Strauch scheint ein beliebter Pinkelplatz zu sein 😉
Wie gut, dass unser nächster Halt Las Vegas ist! Susanne und Hansruedi wollen die berühmte Stadt natürlich auch erleben und deshalb führt (zumindest zu meiner Freude) kein Weg dran vorbei auch wenn wir erst vor Kurzem da waren. Ich bin mir sicher, dass das gefundene Geld einen geeigneten Spielautomaten finden wird, wo es sich munter vermehren kann.
Treffpunkt: Goldener Löwe
Wir bleiben zwei Nächte in Las Vegas und wollen es nicht unterlassen uns eine der berühmten Cirque du Soleil-Shows anzusehen. Am Vorabend haben wir uns für die Show „KÀ“ entschieden. Mathias und ich organisieren nun Tickets, während Susanne und Hansruedi durch den Strip schlendern. Wir haben vereinbart, dass wir uns erst am Abend vor der Show wieder treffen und haben als Treffpunkt den „goldenen Löwen“ im MGM Grand bestimmt (im Hotel, wo die Show spielt). Als wir pünktlich zur vereinbarten Zeit (18.30 Uhr) beim Löwen in der Lobby ankommen, gibt es von Mathias‘ Eltern keine Spur. Vielleicht verspäten sie sich um ein paar Minuten, denken wir, und versuchen erst einmal unser Glück mit dem gefundenen 20-Dollar-Schein bei einer nahen Slot-Machine. Dingel-ingel-ing!!! Nach nur einer Runde haben wir unseren Einsatz tatsächlich bereits verdoppelt und lassen uns grinsend das Ticket mit dem Gewinn ausgeben.
Mittlerweile ist es 18.40 Uhr und von den anderen ist immer noch keine Spur! Langsam werde ich etwas nervös, denn die Show beginnt um 19.00 Uhr und der Eingang befindet sich auf der anderen Seite des Casinos. Mathias ruft seine Mutter per Whatsapp an und wir stellen fest, dass es hier im MGM wohl mehr als einen goldenen Löwen gibt. Wir haben uns natürlich zwei Unterschiedliche ausgesucht und warten nun an komplett verschiedenen Orten. Das Casino ist riesig und wir haben keinen Plan, in welcher Richtung sich die jeweils andere Partei aufhält.
Nächster Treffpunkt: Eingang zur Show…
Jetzt müssen wir aber aus der Hüfte kommen, denn in 5min beginnt die Show! Wir drängeln uns zwischen Spielautomaten und Menschenmassen durch, die Augen immer auf die Wegweiser mit der Aufschrift „KÁ“ gerichtet. In letzter Sekunde schaffen wir es zum Eingang, sind gottfroh Susanne und Hansruedi dort zu treffen und beziehen unsere Sitze.
Anschliessend erleben wir eine enorm eindrückliche Show auf höchstem akrobatischem Niveau. Die Bühne besteht aus einer Plattform, die in alle Richtungen gedreht werden kann. In Extremis performen die Künstler an einer 30 Meter hohen Wand, die senkrecht im Raum steht. Unglaublich! Atemberaubend! Unglaublich atemberaubend!
Hoch hinaus!
Nur wenige Kilometer von Las Vegas entfernt befindet sich der Red Rock Canyon Park. Uns steht der Sinn nach Wandern und da kommen wir im Park der roten Felsen kommen voll auf unsere Kosten. Wir suchen uns die Wanderung zum «Turtle Head Peak» heraus und haben 600 Höhenmeter später eine tolle Aussicht auf Las Vegas. Auf dem Gipfel darf natürlich ein Vesper nicht fehlen. Wir amüsieren uns dabei prächtig an den flinken Streifenhörnchen, die nur darauf warten, dass uns ein Krümel herunterfällt.
Eine Überraschung und eine Enttäuschung zum Schluss
Unser Weg führt uns weiter durchs Death Valley über Ridgecrest bis zum Lake Isabella. Im gleichnamigen Ort finden wir nach einem langen Fahrtag eine Recreation Area, wo wir die Nacht verbringen werden. Obwohl unser erster Eindruck von diesem Ort nicht so bombastisch ist, werden wir noch positiv überrascht. Wir wollten nämlich an einem unserer letzten gemeinsamen Abende nochmals richtig amerikanisch essen gehen. Obwohl unsere Hoffnung nach Einfahrt in dieses triste verlassene Dorf rapide gegen 0 schwindet, hier ein authentisches und dazu akzeptables Restaurant zu finden, werden wir eines Besseren belehrt. Wir kehren im familiengeführten Restaurant „Paradise Cove“ ein. Schon beim Schritt über die Türschwelle merken wir, dass wir hier am richtigen Ort gelandet sind. Wir treten in einen opulent weihnachtlich geschmückten, belebten und heimeligen Speisesaal ein. Eine grosse Gesellschaft feiert hier bereits ihr Weihnachtsfest und wir nehmen am Nebentisch von Mr. Rentierpulli und Mrs. Schneemann-Wollsocken Platz.
Wir entscheiden uns fürs Menü und bekommen nur wenig später den ersten von drei Gängen serviert. Eine grosse Schüssel mit gemischtem Salat wird auf den Tisch gestellt und wir dürfen uns selbst bedienen. Während wir bereits hier mit der Grösse der Portion etwas zu kämpfen haben, stimmen unsere Nachbarn die ersten Weihnachtslieder an. „Jingle Bells, jingle bells….mhmhmm…“. Danach kommt der Hauptgang. Ein perfekt gebratenes superzartes Steak- ebenfalls von beachtlicher Grösse – mit Baked Potatoes als Beilage. Susanne und Hansruedi teilen sich in weiser Voraussicht eine Portion. Wir schaffen es zwar unser Teller leer zu essen, platzen danach aber fast aus allen Nähten. So lecker war es aber schon lange nicht mehr! Wir brauchen erst einmal eine kleine Pause, bevor wir mit dem Dessert, das auch noch im unschlagbaren Preis von 24 USD inbegriffen ist, fortfahren können. Wir überlegen noch, ob wir Cheesecake oder Sorbet wollen und nehmen unterdessen lautstarke „Ohhhs“ und „Ahhhs“ aus dem Nebenraum wahr. Die Weihnachtsgesellschaft hat sich in den nächsten Raum verschoben und mit der Bescherung begonnen. Den Geräuschen zu Folge müssen da wahnsinnig tolle Geschenke ausgetauscht werden. Wir kämpfen schliesslich noch mit dem Stück Cheesecake, das wir nun auch zu Zweit teilen und verlassen danach pappsatt, aber zufrieden das Restaurant.
Am nächsten Tag ist es dann soweit und wir müssen wieder Abschied nehmen. Wir begleiten Susanne und Hansruedi noch zu El Monte, wo sie den Camper zurückgeben. Leider müssen wir hier zum Schluss noch eine Enttäuschung hinnehmen. Die Übernahme vor zwei Wochen verlief so schnell und problemlos, dass wir nun auch bei der Rückgabe nicht mit Problemen rechneten. Bei der kurzen Inspektion schaut sich der Mitarbeiter jedoch direkt und fast ausschliesslich die Räder an (was für uns nicht ganz nachvollziehbar ist) und weist sofort darauf hin, dass vorne rechts eine Radkappe fehlen würde und er uns diese in Rechnung stellen müsse. Es sind zwar nur 35 USD, die wir zusätzlich bezahlen sollen, sind aber trotzdem über die Art und Weise empört, wie man sich hier anscheinend ein paar zusätzliche Dollar zu erschleichen versucht. Uns lässt das Gefühl nicht los, dass Kunden hier bei El Monte ausgetrickst werden, indem man bewusst auf solche Schäden abzielt, die einem bei einer Übernahme nie auffallen würden.
Wir haben nämlich auf einem Foto, das wir am Abend des ersten Tages gemacht hatten, gesehen, dass da die Radkappe bereits fehlte und daher höchstwahrscheinlich nicht bei uns abgefallen sein konnte, da wir bis zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Highway gefahren sind. Dieser „Beweis“ interessierte den Mitarbeiter bei El Monte aber nicht.
Wir erinnern uns, wie die Übernahme vor zwei Wochen ablief. Da war von den Rädern bzw. den Radkappen nie die Rede. Der Mitarbeiter, der uns den Camper übergeben hat, hatte stets betont, dass wir uns beim Ausfüllen der Übernahmeprotokolls „nur“ auf grosse Schäden im Bereich der Wohnkabine achten sollen und kleinere Defekte für unseren Mietvertrag irrelevant seien. Welchem Kunde sollte da eine fehlende Radkappe auffallen, wenn er das Fahrzeug zum ersten Mal sieht?
Zudem wird die Situation ausgenützt, die auch bei uns der Grund war, dass wir nicht länger diskutiert haben. Reisende müssen in den allermeisten Fällen nach der Abgabe des Campers direkt an den Flughafen fahren und ihren Flug erwischen, so auch bei Mathias‘ Eltern.
Wir beissen also zum Schluss in den sauren Apfel und bezahlen zähneknirschend die zusätzlichen 35 USD. Dass die Inneneinrichtung des Campers während der letzten zwei Wochen beinahe auseinanderflog und wir diverse Dinge „geflickt“ hatten, haben wir übrigens schön für uns behalten.