Wir bekommen wieder Besuch
«Wir haben uns ja so aufs amerikanische Essen gefreut» - Kerstin W.
Ein weiteres Mal warten wir am internationalen Flughafen in Los Angeles und dürfen Besuch in Empfang nehmen. Diesmal werden uns Alexandra’s Schwester Kerstin und ihr Freund «Mister M» für zwei Wochen auf unserem Weg begleiten. Kaum sind wir nach der Ankunft im vorgebuchten Airbnb für die erste Nacht angekommen, melden sich bei allen von uns die hungrigen Mägen. Wir machen uns also auf die Suche nach einem leckeren Imbiss. «Wir haben uns ja so aufs amerikanische Essen gefreut», verkündet Kerstin strahlend. «Ich habe so richtig Bock auf einen leckeren Burger». Mathias rollt bereits zu diesem Zeitpunkt die Augen. Hat er etwa eine Vorahnung?
Nach einem kurzen Fussmarsch haben wir die Wahl zwischen Subway und Popeye’s. Wir entscheiden uns nach einer kurzen Abstimmung für Letzteres. Das Essen hat uns zwar volle Mägen bereitet, aber später bei einigen auch ein ausgedehntes Rendez-vous auf der Toilette. Mit anderen Worten: Es war zum Kotzen … leider.
Wir waren ja schon oftmals von der Qualität des Essens in den USA enttäuscht, aber Popeye’s hat nun definitiv den Vogel abgeschossen. Schlimmer geht nimmer! Da erhält man bei Mc Donald’s in der Schweiz ein Gourmet-Menü dagegen. Just saying …
«Mietet doch einen Jucy-Camper wenn ihr hier seid, das ist am Unkompliziertesten!» - Alexandra W.
Am nächsten Morgen geht dann planlos unser am Vorabend geschmiedeter Plan los. Da wir den reservierten Jucy Camper erst ab 13.00 Uhr abholen können, vertreiben wir uns die Zeit am Morgen in L.A. und hacken im Schnellverfahren die Besichtigung von Venice Beach und dem Hollywood Boulevard inkl. berühmten Schriftzug in den Hills ab.
Nach etlichen schlechten Erfahrungen mit Autovermietungen ausserhalb von Europa (erinnert ihr euch an den Fall von Mathias’ Eltern vor einer Woche?!), inspizieren wir diesmal das Fahrzeug bei Jucy genaustens, bevor eine Unterschrift unter den Mietvertrag gesetzt wird. Wir prüfen das zu übernehmende Fahrzeug auf Herz und Nieren und jeder noch so kleine Schaden wird fotodokumentiert. Die Übernahme verläuft sonst superschnell und unkompliziert und Jessica (die Inhaberin der Filiale) ist extrem freundlich, wünscht uns eine unvergessliche Reise und verabschiedet uns schliesslich mit den Worten: «… and if you have any problems or questions, call or text me on Whatsapp. I’m ALWAYS available», und drückt uns ihre Visitenkarte in die Hände.
Wir wollen nur eines … raus aus dieser Stadt. Wir fahren direkt auf den Highway in Richtung Norden auf und sind vielleicht so 20 Minuten unterwegs als der Jucy anfängt Faxen zu machen. Auf dem Armaturenbrett erscheinen Lämpchen, die man lieber nicht sehen möchte und dann verlieren unsere Begleiter die Kontrolle über Gas und Bremse. Nach nicht einmal 10 Meilen hat Trump’s Shutdown auch den Jucy mit voller Wucht erwischt. Aber hey, es gibt Schlimmeres! Wir befinden uns ja nur auf dem Highway No. 5 mitten in der Rushhour! Kerstin und M. schaffen es zum Glück den ausrollenden Jucy auf einer Sperrfläche zwischen der Fahrbahn und einer Auffahrt zum Halten zu bringen. Wir sind schon weiter, müssen die nächste Ausfahrt nehmen und zurückfahren, um dann via besagte Fahrbahn zu den beiden zu gelangen.
Natürlich versuchen wir sofort I’m-always-available-Jessica anzurufen … erfolglos! Wir gehen die verschiedensten Szenarien im Kopf durch, wie wir am schnellsten von diesem Highway runterkommen und sind schon drauf und dran den Jucy mit Baloo abzuschleppen, als Jessica nach dem gefühlt 100sten Anruf doch noch antwortet. Immerhin ist danach innert kürzester Zeit ein Abschleppdienst vor Ort und wir erhalten sofort ein Ersatzauto. Auf unsere Forderung nach einem Preisnachlass nach diesem missglückten Start, der notabene auch nicht ganz ungefährlich war, wird aber kaum eingegangen. Wir werden lediglich mit einer Nummer von Jessica’s Chef vertröstet, der aber bis zum Schluss unserer Ferien weder auf Telefonanrufe noch E-Mails antworten wird!
Seid also gewarnt, falls ihr euch jemals überlegt einen JUCY Camper zu mieten!
«You’re gonna have so much fun at the third biggest New Year’s Eve-Party in the world!» - Jack (oder so…)
Jack haben wir im Hot Tub unseres KOA Campgrounds in Las Vegas getroffen und er kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus, wie glücklich wir uns schätzen können am letzten Tag des Jahres hier zu sein – In der Stadt, in der jährlich die drittgrösste Silvesterparty der Welt auf dem Strip gefeiert würde.
Nun, eigentlich sind wir nicht per se für die Party gekommen. Wir dachten aber: Silvester in Las Vegas?! – Wieso nicht…
Am späten Nachmittag nehmen wir einen Uber ins Zentrum, da frühzeitig damit begonnen wird, den Strip für den Verkehr abzusperren, damit hier - gemäss Jack vom Camping - bis zu 500'000 Leute aus der ganzen Welt feiern können. Da sind wir ja mal gespannt!
Wir haben jedenfalls nach ein, zwei Apéros bereits unseren Spass und sind beim Schlendern durch die Casinos immer wieder von Neuem beeindruckt, wie prunkvoll und aufwändig die Dekorationen und wie detailgetreu die Hotels ihren realen Vorbildern nachgebaut wurden. Als Kerstin und M. die ersten Spielautomaten sehen, gibt es kein Halten mehr und sie setzen sich an einen Roulette Tisch, wo sie auch bis kurz vor Mitternacht bleiben.
Ich betätige lieber ein paar einarmige Banditen, wobei nicht viel rumkommt und versuche mich schliesslich beim Black Jack und schiebe einen 20-Dollar-Schein in einen der Automaten. Das Glück ist aber heute nicht auf meiner Seite. Als ich bei einem Punktestand von 20 nochmals eine Karte ziehe, ist es endgültig soweit. Ich lasse das mit dem Spielen lieber und trage die Verluste brav ins Haushaltsbüchlein ein. Die Blicke der Leute neben mir waren dafür unbezahlbar!
Kurz vor Mitternacht schnappen wir uns 4 Gläser Sekt und begeben uns auf die Terrasse des Venetian zum Anstossen. Eigentlich hat jedes grössere Hotel am Strip ein eigenes Feuerwerk, die nacheinander hochgehen sollten. Leider weht heute aber ein starker Wind, so dass dies nicht möglich ist. Ausserdem herrschen hier momentan Temperaturen um den Gefrierpunkt, was selbst im Winter für Las Vegas untypisch ist und wir sind froh, als wir wieder rein an die Wärme und an die Spielautomaten (zumindest im Falle von Kerstin) können.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden, als die Kugel beim Roulette endlich auf der 7 stehen geblieben ist, schliessen wir das Kapitel Las Vegas und machen uns in der eisigen Kälte auf den Heimweg. Von der angeblichen Riesenparty haben wir übrigens nichts gemerkt. Der Strip blieb die ganze Nacht praktisch leer. Entweder es war allen zu kalt oder Jack hat masslos übertrieben.
«Wir entfliehen dem Winter in der Schweiz und werden die Wärme im Süden der USA geniessen» - M.R.
Da wir am Morgen nach Silvester alle ziemlich fit sind, beschliessen wir kurzerhand einen Neujahrsausflug zum Grand Canyon zu machen und nehmen die 400km dorthin in Angriff. Der Weg zieht sich. Als die Sonne untergeht, befinden wir uns erst in Williams und haben immer noch 100km vor uns. Wir wollen aber unbedingt bis zum South Rim fahren, damit wir morgen früh den Sonnenaufgang am Canyonrand sehen können.
Womit wir alle, aber insbesondere unser Besuch aus der Schweiz nicht gerechnet haben, ist dass es im Winter beim Grand Canyon empfindlich kalt werden kann. Kerstin und M., die sich auf Sommerurlaub eingestellt und dementsprechend ihre Koffer gepackt haben, sind schon in Las Vegas bei 0°C in der Nacht an ihre Grenzen gekommen. Nun ist es aber in Williams bei untergehender Sonne bereits -6°C und als sie ganz weg ist, können wir förmlich zusehen, wie die Grade immer weiter in die Tiefe purzeln. Zudem befindet sich je näher wir dem Nationalpark kommen zunehmend mehr Schnee am Strassenrand. Beim Parkeingang werden wir dann einmal mehr an den immer noch anhaltenden Government Shutdown erinnert, als sich die freigeräumte Strasse schlagartig in einen Gletscher verwandelt. Die gesamte Landschaft liegt unter eine ca. 20cm dicken Schneeschicht begraben und uns schwant Böses…
… wenn es den JUCY nicht schon am ersten Tag nach 20 Minuten erwischt hätte, dann hätte ich ihm spätestens hier das vorzeitige Aus prophezeit. Wider Erwarten kämpft er sich aber trotz Sommerbereifung durch die Schneemassen bis wir im verschneiten Wald, wo sich theoretisch der Mather Campground befinden würde, ankommen. Wir suchen uns die erst beste Lichtung als Nachtlager aus, denn mittlerweile funktionieren unsere Autos eher als Schneepflüge. Den JUCY können wir in letzter Sekunde kurz vor dem Aufbocken an einem sicheren Platz zum Stehen bringen und stapfen erst mal die Umgebung um die beiden Autos platt.
Das Kochen des Abendessens ist dann auch gleich die nächste Herausforderung. Die Pfannen wollen bei solchen Minusgraden einfach nicht richtig heiss werden. Die Männer zaubern uns aber was Leckeres in der Outdoorküche auf die Teller und wir geniessen das Essen, das auch das letzte Abendmahl hätte sein können.
Als wir nach der durchzechten Nacht um 06.30 Uhr beim Klingeln des Weckers auf das Thermometer blicken, trauen wir unseren Augen nicht! Da steht -17°C!!
Wir haben die ganze Nacht die Standheizung laufen lassen und konnten so die Innentemperatur des Fahrzeugs auf knapp 0°C halten. Wie aber Kerstin und M. die Nacht ohne Heizung mit einer dünnen Baumwolldecke und in Boxershorts und T-shirts überlebt haben, ist mir ein Rätsel!
Pünktlich zum Sonnenaufgang sind wir beim Aussichtspunkt am Mather Point. Was wir sehen ist einfach nur WOW! Aus der Dunkelheit zeichnet sich bei Einsetzen des Tageslichts mehr und mehr ein gigantisches Relief ab. Mit jedem Sonnenstrahl mehr, erscheint eine Kante mehr, ein Abbruch mehr, der Canyon erwacht und beginnt über das gesamte Farbspektrum von kastanienbraun über bordeauxrot bis Magenta zu funkeln. Verziert ist er mit einer hauchdünnen Schicht gefallenem Neuschnee, was das Bild perfekt macht. Ein Bild, das ich niemals vergessen werde.
Nachdem wir uns bei einem Kaffee einigermassen aufgewärmt haben, treten wir den Rückweg an und fahren mit zwei Zwischenstopps bis San Diego, wo wir fast eine ganze Woche verbringen. Unser Visum für die USA läuft aus und so haben wir etwas Zeit uns auf den Grenzübertritt vorzubereiten und die anderen beiden können doch noch etwas wärmere Temperaturen geniessen … im Hot Tub des Campgrounds.
Zwischendurch bleibt Zeit zum Spielen, zum Quatschen, zum Lachen, zum Kochen und zum Geniessen. Nachdem wir herausfinden, dass wir mit M.’s Militärausweis bei vielen Aktivitäten beachtliche Rabatte erhalten, nehmen wir auch noch an einem Whale Watching teil, das uns (ohne Scherz!) 22 USD pro Person kostet.
Nach schönen zwei Wochen heisst es aber einmal mehr Abschied nehmen. Für Kerstin und M. geht’s zurück in die Schweiz und für uns nach Mexiko!