Von Lachsen, Bären und Gold
Wir haben uns entschieden: Wir werden hier in Watson Lake umkehren und auf dem Cassiar Highway wieder Richtung Süden fahren. Es ist zwar schon 18.00 Uhr, aber da die Tage um diese Jahreszeit so lang sind, können wir noch ein paar Kilometer fahren und uns ein schönes Plätzchen zum Übernachten suchen. Wir müssen nur noch schnell volltanken und ein paar Grundnahrungsmittel, wie Bier und so auffüllen. Der Tank ist voll und der Motor bereits gestartet, als es plötzlich an der Scheibe klopft. Arnaud und Marie, ein Paar aus Frankreich, sprechen uns an. «Le série 7…c’est le meilleur véhicule!!» Wir kommen ins Gespräch (Arnaud spricht zum Glück Englisch) und tauschen uns über unsere Reisepläne aus. «Noooo way! Ju gän nod törrrrn arrraund…nooooo! Id is sooo biutiful in de norrrrth!» - «Well, we already decided to turn around! But we can come back another time in our lives.» - «Noooo, ju äf tu siii de tundra end de eskimos…du ju äf daim forr ä bière?» Wir überlegen kurz, stimmen dem Angebot dann aber zu. In der kleinen Imbissbude gleich neben der Tankstelle werden wir von den beiden auf ein Yukon Gold eingeladen und hören gespannt ihren Geschichten zu. Arnaud und Marie sind professionelle Fotografen, die im Winter in einer Hütte in Finnland leben und dort Schlittenhundenfahrten und Fotoworkshops anbieten. Im Sommer reisen sie jeweils irgendwo in der Welt umher auf der Suche nach den schönsten Fotomotiven. Der gesamte Yukon und Alaska seien mitunter, um nicht zu sagen, DIE schönsten Gegenden der Welt. Insbesondere um diese Jahreszeit. Es wäre wirklich eine Schande nun nicht weiter in den Norden zu fahren. Wir würden dies ein ganzes Leben lang bereuen. Und so weiter und so fort… …Überredet! Zumindest nach Haines zu den lachsfischenden Bären wollen wir fahren. Wir tauschen unsere Kontakte aus und so übernachten wir an diesem Abend nicht auf dem Cassiar Highway, sondern auf einem Kiesplatz entlang der Strecke Richtung Whitehorse.
Whitehorse steuern wir nur an, um unsere Vorräte aufzufüllen. In diesen Breitengraden ist es der einzig grössere Ort, wo man alles Nötige bekommen kann. Wir übernachten eine Nacht auf dem hiesigen Walmartparkplatz, der vollgestellt mit anderen Reisemobilen ist…und was sehen wir da?! Einen anderen Troopy!! Dank des auf der Seite des senfgelben Toyotas aufgedruckten Schriftzugs www.liveworkwander.com finden wir heraus, dass dieser Jessica und Jorge gehört. Noch während wir unseren Einkauf im Walmart erledigen, schreiben wir ihnen eine Nachricht und lernen die Beiden später kennen. Zwei nette Amerikaner, die seit fünf Jahren in ihrem rollenden zu Hause leben und als Freelancer von unterwegs arbeiten. Da sie aus der Richtung gekommen sind, in die wir nun fahren, trennen sich unsere Wege hier aber auch schon wieder. Am nächsten Tag fahren wir früh morgens los und biegen auf den Klondike Highway in südlicher Richtung ab. Bei einem Aussichtspunkt an einem See machen wir eine kurze Frühstückspause und fahren nach einem Schnappschuss weiter. Später finden wir heraus, dass es sich bei dem See um den berühmten Emerald Lake handelte. Erst jetzt merken wir, dass die aufwändig gespeicherten Wegpunkte (eine Vorbereitung für Kanada, die ich noch in der Schweiz gemacht hatte) nicht in unser Navigationssystem importiert wurden. Da hat wohl jemand seinen Teil der Arbeit nicht erledigt! Jedenfalls haben wir zwar ein Erinnerungsbild vom See, aber ihr könnt ja mal googeln, wie das Foto aussehen könnte.
Unseren nächsten Halt machen wir in Carcross (Kurzform von Caribou Crossing). Der Ort hat seinen Namen, weil hier früher die Karibus auf ihrer Migration die Seen durchquerten. Ganz in der Nähe befindet sich die kleinste Wüste der Welt, die wir uns natürlich ansehen.
Auf der Weiterfahrt nach Skagway (Alaska) sind wir dann schon das erste Mal froh, in Watson Lake nicht umgekehrt zu haben. Die Landschaft ist so wunderschön! Berge, Flüsse, Seen und die Farben und das Licht…einfach zauberhaft!
In Skagway buchen wir die Fähre, die uns noch am selben Tag nach Haines bringen wird. Da wir bis zur Abfahrt aber noch etwas Zeit haben, schlendern wir ein wenig durch das kleine Örtchen, das vor allem auf die vielen Touristen der Kreuzfahrtschiffe, die hier regelmässig anlegen, ausgelegt ist. Zudem finden wir ein äusserst sehenswertes Museum zum Klondike Goldrush, der um 1900 stattgefunden hat. In Dawson City hatte man im Jahr 1896 viel Gold gefunden, was über 100'000! Leute aus der ganzen Welt dazu bewegte, den beschwerlichen Weg in den hohen Norden auf sich zu nehmen, in der Hoffnung Reichtum zu erlangen. Skagway war deshalb ein bedeutungsvoller Ort, da es als «Tor zum Klondike» galt. Von hier aus galt es eine von zwei möglichen Routen über die Berge zu überwinden, bevor man vom Bennett Lake aus die verbleibenden 800km bis Dawson mit selbstgebauten Flossen und Booten auf dem Wasser in Angriff nahm. In Skagway konnte man sich entweder für den White Pass- oder den Chilkoot Pass-Trail entscheiden…oder anders gesagt: zwischen Pech und Schwefel. Die Route über den Chilkoot Pass war kürzer, dafür aber sehr steil und beschwerlich. Pferde konnten den Weg nicht überwinden, was bedeutete, dass man auf diesem Weg selber gehen und dabei den Proviant für die ganze Reise schleppen musste. Im Gegensatz dazu bot sich auf dem White Pass viel einfacheres Gelände, die Strecke war aber lang und führte durch Flüsse und Matsch. Der Weg wurde später in «Dead Horse-Trail» umbenannt, da viele Pferde auf der Strecke verendeten (gebrochene Beine, zu wenig Futter, etc.) Im Endeffekt erreichten zwar viele Dawson City, aber nur sehr wenige wurden wirklich reich. Viele kamen zu spät und die meisten Parzellen zum Goldschürfen waren bereits vergeben. Heute kann man die Strecke über den White Pass mit einer nicht ganz günstig Zugfahrt erleben.
Ich absolviere übrigens momentan meinen eigenen Goldrausch. Ich habe mir einen Goldpass der Yukon Visitor Center besorgt und erhalte nun jedes Mal einen Stempel, wenn wir ein Visitor Center in einem Ort oder ein von ihnen empfohlenes Museum besuchen. Wenn ich bis zum 24. August zwanzig Stempel sammle, kann ich an einer Verlosung von 2 Unzen Gold teilnehmen. Als wir in Haines ankommen, fahren wir direkt zum Chilkoot River, wo momentan die ersten hochwandernden Lachse zu sehen sein sollten. Wir erfahren jedoch, dass ungewöhnlicherweise erst die Sockeye Salmon angekommen sind. Die von den Bären bevorzugten Pink Salmon seien dieses Jahr spät dran. Meister Petz scheint dies aber nichts auszumachen, denn nicht lange nach unserer Ankunft erblicken wir, was wir uns schon so sehnlichst gewünscht hatten. Wir sehen die ersten Grizzlybären.
Über den Haines Highway fahren wir nach diesem unglaublichen Erlebnis wieder zurück in den Yukon, wo wir weiter dem Alaska Highway folgen. Am Rande des Kluane Nationalparks tauchen wir nochmals in eine phantastische Landschaft ein, bevor schon bald das nächste Abenteuer vor der Tür steht. Dafür müssen wir aber erstmals unseren Zusatztank in Anspruch nehmen und bunkern in Tok an der günstigsten Tankstelle weit und breit 210l Diesel.