Olympic Peninsula
Anders als erwartet
Auf Seattle hatte ich mich schon lange gefreut. Die Stadt blieb mir von meinem letzten Besuch im Jahr 2005 besonders gut in Erinnerung. Damals war ich in einem 6-wöchigen Auslandaufenthalt in Hillsboro und machte mit meiner Gastfamilie einen Tagesausflug in die grösste Stadt Washingtons.
Umso mehr bin ich enttäuscht, wie wir die Stadt heute vorgefunden haben … Orte, wie der Pike Market und die Space Needle platzen aus allen Nähten und können die Touristenmengen kaum händeln. Mitten in Downtown sind regelrechte Zeltstädte von Obdachlosen entstanden. An jeder Ecke werden wir angepöbelt und es wird teilweise auf eine dreiste Art und Weise nach Geld gebettelt, wie wir es nicht einmal in Afrika erlebt haben. Da werden wir von jungen gutaussehenden gesunden Burschen angehalten, die der Überzeugung sind, nicht mehr arbeiten zu müssen, da sie sich zu ihrer freien Bestimmung entfalten können und dadurch natürlich gerechtfertigter Weise durch Spenden finanziert werden müssen. Crowdfunding reloaded! Verneint man eine Spende höflich, wird man als asozial und geizig beschimpft *würg*. Der Stadt sind diese offensichtlichen Missstände egal. Und das Schlimmste: Diese Schnorrer können, wie es aussieht, gut von ihrem «Job» leben. Die Leute hier schieben Scheine rüber, was das Zeug hält. Jemand hat uns einmal erzählt, dass die Profis unter diesen High-End Abzockern über 100'000 Dollar im Jahr machen – steuerfrei. Keine Ahnung, ob das stimmt … aber verwundern würde es uns nicht mehr.
Nichts desto Trotz haben wir auch schöne und ruhige Plätzchen gefunden. Als wir am Abend Stadt mit der Fähre verlassen und auf die im Abendlicht glitzernde Skyline zurückblicken, schliessen wir wieder unseren Frieden mit Seattle.
3 in 1
Die besagte Fähre bringt uns rüber zur Olympic Peninsula, genauer nach Bainbridge Island. Dort verbringen wir eine Nacht auf dem Parkplatz des 7 Cedars Casinos, bevor wir uns am nächsten Tag in den Olympic Nationalpark losmachen. Dieser Nationalpark erstreckt sich mehr oder weniger über die gesamte Olympic Halbinsel und ist einzigartig, da sich im Park drei verschiedene Ökosysteme befinden – Küste, Regenwald und Berge.
Als erstes fahren wir nach Hurricane Ridge in die Berge. Bei einem Rangertalk erfahren wir, dass das Olympic Gebirge einst der Boden des Pazifischen Ozeans war, der vor noch nicht allzu langer Zeit mit Hilfe der Plattentektonik in luftige Höhen katapultiert wurde. Aus diesem Grund und auch weil die Peninsula tatsächlich einmal eine richtige Insel war – abgeschottet durch umgebendes Wasser und Eis - leben hier 23 endemische Arten, wie z.B. das Olympische Murmeltier.
Nach den Bergen fahren wir weiter entlang des Lake Crescent in den Regenwald. Ja genau, es gibt hier im Norden der USA tatsächlich Regenwald. Allerdings nicht einen tropischen Regenwald, wie man sich vorstellen könnte, sondern einen gemässigten Regenwald. Jedenfalls ist dieses Fleckchen Erde der regenreichste Punkt der USA, lässt man Alaska und Hawaii aussen vor. Da einige Strassen wegen Erdrutschen gesperrt sind, besuchen wir lediglich die Sol Duc Falls, kleine Wasserfälle, die uns aber nicht vom Hocker reissen.
Letzter Programmpunkt ist dann noch die Küste. Die raue See, die kreisenden Möwen über uns und der wilde Strand gefallen uns dann wieder sehr gut. Das besondere ist auch, dass der Regenwald bis direkt ans Meer reicht. Haben wir so auch noch nicht gesehen.
Auf unserem Weg weiter nach Süden halten wir zufälligerweise im Örtchen «Forks» für einen Kaffee. Während bei Sichtung des Ortsschildes dieser kleinen Kommune bei allen Twilight-Enthusiasten die Alarmglocken läuten, fahren wir nichtsahnend daran vorbei. Erst später erfahren wir, dass die Vampirsaga um Bella und Edward hier spielt und der Ort seit der Erscheinung der Romanreihe einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat.
Wir haben aber keine Zeit für eine Tour durch die Stadt, die uns die Filmschauplätze zeigt, denn wir haben eine Verabredung in Astoria. Dazu aber mehr im nächsten Bericht.