Kakteenwälder und Traumbuchten
Ein verhängnisvolles Geschenk
In Ensenada biegen wir auf die MEX 3 in östlicher Richtung ab. Unser Ziel: San Felipe an der Ostküste der Baja California. Schon bald kommen wir an der ersten von vielen Militärkontrollen vorbei, die es hier in «Niederkalifornien» - auf der Halbinsel, auf der wir uns gerade befinden - gibt.
Wir fahren an die Schranke und werden von zwei stark bewaffneten Militärs angehalten. «De dónde vienen?» - Hmmm, lange Gesichter unsererseits … - «De D Ó N D E?», wiederholt einer der auffallend jungen Militärs langsam und deutlich. Ahhh, von wo wir sind, will er wissen! Ich antworte voller Stolz mit meinem zuvor einstudierten Satz: «Somos de Suiza». – «Ándale» erhalten wir wiederum als Antwort. Der Militärbeamte deutet uns gleichzeitig mit einer eindeutigen Handbewegung, dass wir weiterfahren dürfen.
Kurz vor San Felipe wartet dann die zweite Militärkontrolle an diesem Tag auf uns. Wir bekommen wieder eine Frage gestellt, die wir nicht verstehen. Dies ist aber kein Problem, denn hier wird aus den neusten Technologien Nutzen gezogen. Der Militärbeamte zieht sein iPhone aus der Hosentasche und hält es sich vor den Mund während er einen Satz auf Spanisch spricht. Danach hält er uns das Smartphone hin und wir hören die englischsprechende Stimme des Google Translators. Wir werden gefragt, ob unser Fahrzeug inspiziert werden darf, willigen dieser Bitte ein und steigen aus.
Als erstes durchsucht der Beamte unser Handschuhfach und die Mittelkonsole. In Letzterer findet er sofort unsere «Geschenkbox», ein kleines Kästchen mit Geschenken, die wir von Menschen unterwegs erhalten haben. Da drin befindet sich zum Beispiel die 2-Dollar-Note von Toby aus Cleveland, die Zeichnung des 10-jährigen Felix aus Frankreich … und die Pistolenpatrone von Melissa aus dem Glacier Nationalpark.
In Mexiko ist das Ein- bzw. Mitführen von Feuerwaffen und Munition als Tourist höchst illegal und kann bei Wiederhandlungen mit Gefängnisstrafen vergolten werden. Und wir Dummköpfe haben keine Sekunde mehr an diese Patrone gedacht!
Der Militär will natürlich sofort wissen, ob wir noch mehr Munition oder Waffen im Auto mitführen. Wir versuchen ihm so gut es geht – wieder mit Hilfe des Google Translators – zu erklären, dass diese Patrone ein Geschenk war und wir keine Waffen oder Ähnliches im Auto verstaut haben. Er will uns nicht so recht glauben und startet eine einstündige penible Durchsuchungsaktion. Jedes einzelne Fach, jede Kiste und jegliche Hohlräume werden fortan auf den Kopf gestellt und kontrolliert. Sogar unsere Matratze wird inspiziert, abgetastet und gekehrt. Wir schauen geduldig zu und warten ab. Immerhin wird vorsichtig mit unserem Hab und Gut umgegangen. Als der junge Militär schliesslich nichts findet, dürfen wir Gott sei Dank weiterfahren. Die Patrone will er aber behalten. – Kann er gerne haben!
Im Tal der Giganten
Am nächsten Morgen fahren wir der Ostküste der Baja entlang weiter in Richtung Süden. Wir sehen auf dem Weg viele amerikanische oder kanadische Wohnmobile von sogenannten «Snowbirds», die hier unten überwintern. Schon bald erreichen wir unser anvisiertes Ziel, das Valle de los Gigantes. Dabei handelt es sich um eine Art Schutzgebiet, das aber kaum ausgeschildert ist. Wir müssen jedoch 200 Pesos (ca. 10 CHF) Eintritt zahlen, bevor uns die Tore zum Park geöffnet werden.
Uns wird wieder einmal schlagartig klar, dass wir uns nicht mehr in den USA befinden und in Mexiko alles ein wenig anders läuft. Wir suchen vergebens nach einer Infobroschüre und sind ganz erstaunt, dass wir uns im Park frei bewegen resp. überall hinfahren dürfen, wo wir wollen. Uns werden nicht mittels Infotafeln hunderte von Dingen verboten und vorgeschrieben, was wir tun sollen. Wir fühlen uns im ersten Moment sogar ein wenig hilflos, schätzen den neuen Zustand aber dann schnell.
Die Attraktion im Valle de los Gigantes ist ein riesiger Kakteenwald. Auf sandiger Piste fahren wir zwischen haushohen Saguaros vorbei, bei deren Anblick jeder Zierkaktus zu Hause vor Scham erröten würde. Das ohnehin schon eindrückliche Bild wird durch unzählige violette Blumen perfektioniert, die der öden Wüstenlandschaft die nötige Farbe verleihen. So haben wir uns Mexiko vorgestellt!
Traumbuchten
Auf der MEX 5 fahren wir immer der Küste entlang weiter nach Süden. Wir kommen an traumhaften Buchten mit türkisblauem Wasser vorbei und finden schöne Übernachtungsplätze direkt am Meer. Wenn wir in einem Örtchen vorbeikommen, halten wir gerne, um uns bei «puestos» (Foodtrucks) frische Tacos zu holen. Auf einer Tortilla erhält man jeweils die gewünschte Zutat ausgehändigt (in unserem Fall meist fangfrischen Fisch) und kann dann aus verschiedenen Toppings, wie Guacamole, Zwiebeln und Salsas auswählen und den eigenen Taco verfeinern. Und das Ganze zu unschlagbar günstigen Preisen (15 Pesos = 0,75 CHF pro Stück)!
Unseren Lieblingsplatz finden wir bei Bahía de los Ángeles auf einer kleinen Landzunge direkt am Meer. Wir haben den ganzen Strand für uns allein und bleiben eigentlich das erste Mal seit Langem ein paar Tage stehen und machen gar nichts. Nachdem wir in den USA immer sehr viel gefahren sind und unsere Tage mit Aktivitäten vollgepackt waren, fühlen wir uns hier ein bisschen wie in den Ferien von den Ferien. Wir schauen den vielen Wasservögeln zu, finden Seesterne und können am Abend sogar einen Seehund beim Jagen beobachten. Leider ist das Wasser zu dieser Jahreszeit noch ein bisschen kalt, so dass es uns nicht wirklich reizt, baden zu gehen.